1824 bereitet die Familie D'Ávila erstmals den Verkauf von Ländereien vor. Nach der Abschaffung des Erbrechts des Erstgeboren ("morgado") 1835 und dem Tod des letzten Gesamterben Antônio Joaquim Pires de Carvalho e Albuquerque 1852 steht der Besitz vor dem Zerfall in immer kleinere Teilstücke.
Das Castelo und sein Umland, inklusive dem heutigen Praia do Forte, bleiben von diesem Prozess zunächst weitgehend verschont. Nachdem der letzte direkte Familienerbe 1888 stirbt, wechselt das Gebiet mehrfach den Eigentümer, bis es ca. 1922 von Otacílio Nunes de Souza, einem Politiker und Großgrundbesitzer aus Permanbuco, erworben wird, der die Kokosplantage Fazenda Praia do Forte modernisiert und erweitert. Kurz zuvor, um 1916, erhält Praia do Forte die erste Version seines Leuchtturms (der aktuelle Leuchtturm stammt aus dem Jahr 1971).
Ab dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gibt es erste Anstrengungen der jeweiligen Eigentümer des Castelo, die historischen Strukturen, mittlerweile unbewohnt und im Verfall begriffen, zu erhalten. In diesem Kontext findet das Castelo auch vermehrt das Interesse von Historikern, Architekten und Regierungsstellen. Um 1927 besucht der Historiker und Politiker Pedro Calmon das Gelände und identifiziert an den Stränden vor dem Castelo nahe dem Rio Pojuca Überreste eines kleineren Befestigungbaus ("Forte"), von dem heute nichts mehr erhalten ist. Calmon engagiert sich für diverse Maßnahmen zur Erhaltung des Castelo, von denen letztendlich nur der Bau einer Zugangspiste von Feira Velha de Capuame (die heutige Gemeinde Dias Davila) nach Praia do Forte und zum Castelo umgesetzt wird. 1938 nimmt das Kulturinstitut IPHAN das Castelo in seine Liste historischer nationaler Baudenkmäler auf und stellt es damit unter Schutz.
Derweil werden in den 1880ern grosse Teile der Gegend nördlich von Praia do Forte, inklusive der heutigen Orte Imbassai, Porto Sauipe und Massarandupio von Familienerben an den deutschstämmigen US-Amerikaner Sigismund Schindler verkauft. Schindler baut auf seiner riesigen Länderei Kokosplantagen im grossem Stil auf, experimentiert ausgiebig mit der Kommerzialisierung lokaler Produkte - darunter Piassava-Faser und Mangaba-Naturkautschuk - und baut 1898 eine Hafenanlage, "Porto Schindler" genannt, an der Mündung des Rio Sauípe - der historische Kern das heutige Porto Sauípe.
1808 verkauft Schinlder aus unbekannten Gründen weite Teile seines Besitzes - ein Gebiet von ca. 20x40 km - an die britisch-brasilianische Firma Bahia Rubber and Fibre Plantations Ltd., die ihn kurz darauf an die in London ansässige Brazilian Rubber Planters and Manufacturers Ltd. weitergibt. Leztere widmet sich primär der Kautschuk-und Sisalproduktion, bis sie um 1940 Konkurs anmeldet und der Bank of London überschrieben wird. Diese wiederum gibt 1944-49 Teilstücke der Länderei, einschliesslich der Gegend von Imbassai und Porto do Sauipe, an die aufstrebende brasilianische Baufirma Construtora Norberto Odebrecht ab.
Die Gegend um das Castelo und Praia do Forte wird nach dem Tod von Otacílio Nunes de Souza im Jahr 1939 unter dessen Nachkommen aufgeteilt. Im April 1971 kaufen die deutschstämmigen Brasilianer Manfred und Klaus Peters aus Sao Paulo den Erben von de Souza einige dieser Teilstücke ab und begründen so die moderne Fazenda Praia do Forte - ein weites Gebiet nördlich des Rio Pojuca, einschliesslich des Castelo dAvila, des künftigen Sapiranga Naturschutzgebiets, und rund 23 km einsame tropische Strände.
In den Folgejahren entwickelt Klaus Peters Ideen und Konzepte zur nachhaltigen Nutzung seiner Ländereien durch Tourismusprojekte, die auch im internationalen Kontext als frühe Vorläufer des "Ökotourismus" angesehen werden können, und mit denen er in Brasilien lange seiner Zeit voraus sein wird. Vor allem aus dem Blickwinkel der 1970er, als die Auswirkungen einer von Salvador aus einsetzenden schnellen und ungeordneten urbanen Expansion in nördlicher Richtung bereits deutlich erkennbar wurden, und die kürzlich entstandene bahianische Chemieindustrie angesichts der Ölkrisen ernsthaft erwog, ihren Energiebedarf durch die Umwandlung weiter Naturräume in Eukalyptus-Monokulturen zu decken, brachten die ökotouristisch orientierten Ideen von Klaus Peters wichtige Gegenimpulse ins Spiel, die an der Weichenstellung für die Entwicklung der Region entscheidend mitwirkten.
Die ersten Maßnahmen zum Landschafts- und Naturschutz in der Region erfolgen ab Mitte 1970er: 1975 kommt es zunächst, auf bundesstaatliche Initiative, zur Gründung des "Parque Ecológico Garcia D’Ávila" auf 900 ha Fläche. 1977 folgt die von Peters in Kooperation mit der Umweltbehörde IBDF (einem Vorläufer des heutigen IBAMA) initiierte Implantation der "Área de Refúgio Particular de Animais de Sapiranga", die zunächst auch Praia do Forte mit einschliesst. Gegen Ende der 1970er engagiert Peters den renommierten brasilianischen Architekten Wilson Reis Netto zur Ausarbeitung eines langfristigen Masterplans für die künftige räumliche Nutzung der Kokosfarm für tourische Projekte, mit Betonung auf Natur- und Landschaftschutz. Das Ziel ist der Bau eines modernen Resorts mit mehreren Hotels und Wohnanlagen, der sich harmonisch in die Landschaft einfügt und dessen rationale Bewirtschaftung die Erhaltung der umliegenden Natur garantieren soll. Netto erarbeitet in der Folge ein im regionalen Kontext für seine Zeit einzigartiges Konzept und setzt stilistische Impulse, die bis heute in der lokalen Bauarchitektur erkennbar sind.
Bis in die späten 1970er hinein schwelgt Praia do Forte - wie die gesamte Nordküste Bahias - in einer heute kaum noch vorstellbaren stillen Idylle. Die Küstenstrasse "Estrada do Coco", heute eine vierspurige Hauptverkehrsader, erreicht den Rio Pojuca erst 1972 - zunächst noch nicht asphaltiert. Auf der anderen Seite des Flusses, nur durch eine klapprige handbetriebene Fähre erreichbar, folgten 8km Piste durch dichte Vegetation bis Praia do Forte. Merklich änderte sich dies erst mit der Fertigstellung der Brücke über den Rio Pojuca 1982.
Im Juni 1980 wird Praia do Forte erstmals von Angela und Guy Marcovaldi besucht, zwei jungen Meeresbiologen, die im Auftrag des IBDF vor Ort das Brutverhalten von Meeresschildkröten studieren. Die Biologen verstehen sich auf Anhieb bestens mit Peters und Netto, und 1982 erfolgt die Gründung des TAMAR-Instituts auf einem von Peters gestifteten Gelände, mit regelmässigen Forschungen vor Ort.
Ab 1981 erbaut Netto nördlich des Leuchtturms die heute nicht mehr existierende "Pousada Praia do Forte" - die erste touristische Unterkunft von Praia do Forte - und das Hotel Porto da Lua - heute das einzige direkt am Strand liegende Hotel des Ortes. 1983/84 beginnt der Bau des späteren Hotel Praia do Forte Ecoresort nach den Kriterien von Nettos Masterplan - zunächst unter den Namen "Robinson Clube Praia do Forte" und "Hotel Praia do Forte" - das 1985 fertigstellt ist. Im gleichen Jahr lässt Peters von der NGO FUNATRA (Fundação Pró-Natureza) einen Plan zu rationalen und umweltgerechten Nutzung seiner Ländereien erstellen passt seinen Masterplan daran an. 1987 erarbeitet FUNATRA ein später von der brasilianischen Regierung übernommenes Konzept (1990-94) zur Einrichtung privater Naturschutzgebiete (RPPN), dessen erstes die Praxis umgesetze praktisches Beispiel die Reserva Sapiranga ist.
Spätestens ab 1990 werden die Ideen von Klaus Peters auch vom Mainstream aufgegriffen. Bis 1996 kommt es in schneller Abfolge zu massiven Investionen und diversen staatlichen Entwicklungsprojekten (PRODETUR) mit Unterstüzung von und Orientierung durch Weltbank und IWF. 1992 erfolgt die Fertigstellung der Linha Verde (BA-099), einer Verlängerung der Estrada do Coco um 180 km an der Nordküste Bahias entlang bis zum Bundesstaat Sergipe, gefolgt vom Ausbau des internationalen Flughafens von Salvador - 50 km südlich von Praia do Forte - konzertierten Projekten zum Ausbau der Basis-Infrastruktur der Region und der Einrichtung diverser Natur- und Landschaftsschutzgebiete.
In dieser Zeit erfolgen erneut wichtige Weichenstellungen, bei denen eine Ausrichtung der Region auf Tourismus eine immer bedeutendere Rolle spielt, deren Ziele und Skala jedoch zunehmend von Peters ursprünglichen Ideen abweichen. Im Kontext der Weltumweltkonferenz Rio 1992 steht zwar bei bei diesen Projekten das Thema "Nachhaltigkeit" weiterhin weit oben, allerdings vor allem was Rethorik und Marketing angeht - in der Praxis rücken diese Aspekte dagegen zunehmend in den Hintergrund. Die Projekte werden grösser, anonymer und teurer - und in den Medien für ihre Superlative gelobt. Bestes Beispiel für diese bis heute andauernde Entwicklung ist der Bau des Costa do Sauipe Resort (1998-2000) - etwa 20 km nördlich von Praia do Forte - dessen Planung und Durchführung zwar von dem von Peters geschaffenen Image der Region profitieren, der aber in Punkto Zielsetzung und praktischer Umsetzung kaum noch etwas damit gemeinsam hat. Bedauerlicherweise sind Projekte nach diesem Muster heute eher die Regel in der Region. Nachhaltig ist daran immer weniger.
Wie sich Peters genau zu dieser Entwicklung stellte ist nicht bekannt. Dass er ab 2003 beginnt, Teile seiner Ländereien zu verkaufen, könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass er ihr kritisch gegenüber stand. 2006 verkauft Peters, mittlerweile weit über 70, seinen Ecoresort and eine portugiesische Hotelkette und verlässt Praia do Forte in Richtung Panana, wo er 2011 stirbt. Der Ortskern von Praia do Forte und dessen unmittelbare Umgebung sind dank der von Peters getroffenen Bauvorschriften von dieser Entwicklung glücklicherweise kaum betroffen.
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